Geschichte Recker Harhoff
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- Erstellt am Donnerstag, 14. Februar 2013 12:40
- Geschrieben von Ursula Holz
Autor: HUGO HARHOFF
Die Geschichte des Recker Harhoffs wurde mit seiner 1987/88 erstellten Arbeit über die Historischen Harhöfe Westfalens veröffentlicht
Der einsame Recker Harhoff auf der Recker Har im Tiefland der großen Aa
Die immer westfälische Gemeinde Recke als eines der mit Ibbenbüren, Mettingen und Brochterbeck vier alten tecklenburgischen Kirchspiele in der Obergrafschaft Lingen ist jetzt an der nördlichen Grenze des Kreises Steinfurt und der Landesgrenze NRW benachbart der Gemeinde Hopsten im Westen und Nordwesten, der Stadt Ibbenbüren im Süden, der Gemeinde Mettingen im Südosten und der seit 1815 niedersächsischen Gemeinde Neuenkirchen des seit dieser Zeit politisch durch Verwaltungsakt nicht mehr westfälischen Landkreises Osnabrück im Nordosten.
Die Geomorphologie des Gemeindegebietes ist gekennzeichnet im Süden durch die die Ibbenbürener Bergplatte bildenden Flöz führenden Karbonschollen, die nördlich anschließende sandige Bergfußzone vornehmlich in den Bauernschaften Steinbeck und Espel, die Talsandauenzone der Recker Aa, die sandige Uferwallzone der jetzigen Bauernschaften Twenhusen und Langenacker mit dem Ortskern Recke dazwischen und der nördlichsten Bauernschaft Harhoff auf dem Übergang von der Plantlünner Sandplatte zur Voltlage- Vinter Moor- und Niederungszone.
Diese Letztere wird entwässert durch die Halverder Aa, während der höchste Punkt der gesamten Bauernschaft Harhoff mit +48,1 m NN genau mitten in Harhoffs= Harmeiers Esch, einem schon 1605 mit 65 Scheffelsaat vermessenen Ackerstück liegt, das 1829 ebenso noch unverändert wie 1880 und bis in die neueste Zeit 8,4176 ha Fläche hatte und historisch immer nur Roggen trug.
Der gleich westlich auf etwa +47 m NN Höhe liegende historische Recker Harhof befindet sich damit auf dem die Wasserscheide zwischen Halverder und Recker Aa bildenden geringfügig höhergelegenen Sandrücken, wenn auch die Entwässerungswirkung der Recker AA wegen der weiten Entfernung und der höheren Uferwallzone und selbst die des nur 250 m südlich am Hof vorbeiführenden Vinter-Moor-Kanals aus dem vorigen Jahrhundert nicht übermäßig zu spüren sind. So befanden sich in nassen Wintern und in örtlichen Dellen noch größere Wasserflächen selbst nördlich entlang dieses Entwässerungskanals.
Die historische Entwässerung des weiteren Harhoff-Umlandes durch hofeigene Gräben mit Düker sogar unter dem späteren Vinter-Moor-Kanal hindurch erfolgte deswegen immer vorwiegend nach Norden und Nordwesten zur Halverder Aa und wurde endgültig durch die Anlegung des Niedersächsischen Grenzkanals vor nur etwa 20 Jahren entscheidend verbessert.
Der historische Recker Harhof selbst auf der Recker Har wie auch seine Ackerflächen waren jedoch wegen der relativ guten Höhenlage nie wasserbedroht, wie es der Definition der westfälischen Haren entspricht.
Die Mutterbodentiefe in den traditionellen Ackerbodenflächen des Hofes beträgt nach Untersuchungen des Agraramtes Münster und des neuen Besitzers zu aller Überraschung um 1 m und teilweise mehr als 1 m Mutterboden, und zusätzliche Flächen wurden zur Durchbrechung einer wasserhaltenden und abgrenzenden dünnen Moorschicht jetzt mit 1 m tiefgepflügt. Dieser Befund auf den traditionellen Ackerflächen des Hofes ist bei näherer Betrachtung erklärbar nur durch die seit über tausend Jahren betriebene wirkungsvolle Plaggen-Düngung, da die Mist-Düngung bei weitem nicht ausreichte um auch nur den Kulturzustand für Roggen zu erhalten. Wenn man sogar die nach 1605 urbar gemachten westlichen und nördlichen Ackerflächen ausschließt, waren allein für den Harhoffs Esch von 65 Scheffelsaat= 84.176 m2 1.000 Jahre lang jährlich ca. 200 t Plaggen oder 1.500 Jahre lang ca. 130 t Plaggen aus den nahegelegenen Haren zu stechen und mit Pferd und Sturzkarre zur Düngung und zum Unterpflügen heranzukarren, um diese Mutterbodentiefe von etwa 1 m und mehr zu erreichen.
Während die 1867 nach der Gemeinheitsteilung bis zum Zukauf 1897 in der Grundsteuermutterrolle aufgeführten 59 Parzellen von insgesamt 65,4366 ha die Silbe Har, die dem Hof und der Familie den Namen gab, außer in 8 Wolferhaarfeld- und 3 Harst-Parzellen wegen einer mehr vordergründigen, funktionalen und praktischeren Benennung nicht mehr benutzt wird, ist noch die Bezeichnung Eschdiek für die Parzelle 416/59 mit 1,513 ha gleich südlich der Hof- und schon erwähnten Haupteschfläche interessant. Sie wurde als Weide genutzt und scheint tatsächlich als Deich gegen das etwas tiefere südliche Vorland mit dem neueren Vinter-Moor-Entwässerungskanal gemeint zu sein.
Unübersehbar sind jedoch in West-Ost-Richtung die Haren von Halverde, der nordwestlichen Bauernschaft Reckes bis 1824, im Norden und Westen des Voltlager Moors, die Plaggenhar nördlich von Weese, die Kreienhar, der Harhoff und das Wolferharfeld im Norden von Recke, die FIuren Haaren und Harkamp (1605 als Stroitmans Haarkamp geführt) westlich des Dorfes Recke und das Gebiet Auf der Hahr an Napoleondamm und Neuenkirchener Straße in Mettingen, der Ort Haren südwestlich von Ostercappeln und die Fuchshaar westlich von Hunteburg schon fast am Dümmer See.
Die historischen Harmeiers in den letzten Jahrhunderten saßen ebenso in diesem West-Ost-Gürtel von Halverde über Recke, Venne bis Venne-Moor (ca. 17 km nördlich von Osnabrück) wie auch nach dem Mormonenarchiv mit wiederum beachtlicher Massierung im auch heute noch westfälischen Dielingen und Drohne südlich des Dümmer Sees und in Minden. Die Eruierungen in Dielingen und Drohne brachten jedoch keinen historischen Harhoff mehr zum Vorschein.
Der nördlichste historische Harhoff Westfalens, besetzt mit Harmeiers, scheint damit endgültig der von Recke zu sein. Wegen seiner die gesamte Landschaft beherrschende Lage, Größe und Bedeutung seiner frühesten sächsischen Entstehungszeit auf dürftigsten Böden und seiner sonstigen Einmaligkeit in ganz Westfalen, die sich auch in der in dieser Gegend unüblichen Nachsilbe Hoff äußert, werden die noch folgenden Ausführungen länger als erwartet und beschreiben auch besonders sein tragisches Schicksal im vorigen Jahrhundert.
Es ist mir bezeichnenderweise nur gelungen trotz größerer Suche, 3 historische Höfe dieses nördlichsten Westfalens von Recke bis Mettingen aufzuspüren, die die Nachsilbe Hoff im Hof Namen führen, das sind der Strothoff und Harhoff in Recke und der Langenhoff in Mettingen, wobei volle Parallelität nur zwischen Harhoff und Langenhoff besteht, da beide mit Meiers besetzt waren, eben Harmeiers und Langemeiers, während der Strothoff von Strotmanns bewirtschaftet wurde. Der Mettinger Langenhoff ist Ursprung der Mettinger Brennereidynastie C. Langemeyer, die den Recker Harhoff 1895 nach seinem unverdienten Niedergang käuflich erwarb.
In Recke sind auch südlich der Recker Aa noch viele örtliche Haren vorhanden, so die Schweighar, Rohenhar und Haarkamps Moor, das Gebiet Aufm Haar an der Rutenmühle des Mühlenbachs mit den Höfen Auf der Haar und Von der Haar. Außerdem erstaunte, dass selbst hier im nördlichsten Westfalen in der Flurkarte von 1826 ein längerer Hellweg auf der Steinbecker Bergfußzone der Ibbenbürener Bergplatte als glatte West-Ost-Verbindung mitten durch die uralten, hellen Ackerflächen des Steinbecker Esch bis nach Schlickelde-Mettingen heute noch vorhanden sind.
Wenn die direkten Ackerflächen des Harhofs 1605 auch nur 65 Scheffelsaat (1 SS= 40 Pfd. Roggensaat= ca. 1300 m2) = 8,45 ha betrugen, ist der Recker Harhof im vorausgehenden Mittelalter mit Sicherheit der größte Hof Reckes und der das gesamte Umland von Voltlage bis zum Vinter Moor beherrschende Hof gewesen. Seine Weiderechte auf den nur überwiegend Krüppelholz und Gestrüpp tragenden dürftigen Haren und auch den nasseren Rändern zum Voltlager und Vinter (= Recker) Moor auf der diese Moore trennenden SW-NO Sandschwelle dürften tausende von Morgen allerdings rechtlich nicht genau festgelegten und fixierten Landes betragen haben, während die beackerte Fläche von nur wenigen Prozent erst allmählich im Laufe der Jahrhunderte auf nur erst 30% im Jahre 1930 anstieg und selbst in diesem Jahr noch 19% als Unland, Hofräume und Wege des Gesamtbesitzes von 83,7 ha in Niekammers landwirtschaftlichen Adressbüchern ausgewiesen sind. Diese aus steuerlichen Gründen als Unland deklarierten Flächen waren bei zugegebener weise sehr dürftigem Bewuchs immerhin noch sehr extensiv als Weide genutzt wie somit in den vorigen Jahrhunderten auch die Schafzucht bis in den letzten Jahrzehnten neben Rinder- und Schweinezucht auf dem Recker Harhof eine beherrschende Rolle spielte.
Die sehr genaue Spezifizierung der 59 Parzellen von 1883 wies bei 65,4466 ha Gesamtfläche für Gebäude, Haus-, Scheunen- und Hofflächen, Backhaus und Schoppen, einer Leibzucht und zwei vermutlich Doppel-Heuerhäusern, je einen Schafstall am Hof und im Felde aus
von insgesamt |
0,3 % der Fläche |
für Hausgärten von 583 qm² und Feldgärten von 6.719 m² |
1,7 % der Fläche |
für Acker des Hofes und der Heuerleute von 165.296 m² |
25,4 % der Fläche |
für Wiesen auch einschließlich der Heuerleute |
12,7 % der Fläche |
für Weiden einschl. Wolferharfeld und Flur 19 = Vinter Moor |
57,3 % der Fläche |
für Holz einschl. vieler mehrhundertjähriger Eichen |
2,6 % der Fläche |
= |
100,0 % der Fläche |
Das Güterverzeichnis des Colons Johann Jacob Harmeyer vom 31.10.1829, Sunderbauer Nr. 8= später Harhoff Nr. 26 und bis heute Nr. 30 betrug nach vielen Absplitterungen und ohne die Markenrechte in den Parzellen 1 bis 51 nur noch 144 Morgen und 153 Ruten = 278 Scheffelsaat + 6 Ruten + 160 Fuß nach örtlichem Maß und nach dem Verkauf der Parzellen 2 bis 6 von ca. 12 Morgen im Bereich der Espeler Weiden durch Vertrag vom 18.6.1859 nach der Grundbucheintragung von 1863 nur noch 132 Morgen und 128 Ruten und 20 Fuß. Dieser Verkauf war sicher ein Versuch, den bedrohlich wachsenden Lasten des Hofes aus den gnadenlos eingetragenen, wenn auch zum Teil bestrittenen Rechten des preußischen Königs als vormaligem Grundherrn, den alten Lasten an die Kirche und den Küster bis zu den Lingenschen reformierten geistlichen Gütern und Seminarien sowie insbesondere auch den durch eine völlig wirklichkeitsfremde Justizbürokratie im Grundbuch fixierten exorbitanten aber nie bestrittenen Kinderzuwendungen an die bisher nicht abgefundenen, jeweils nur letzten Kinder mehrerer Generationen durch geldliche Ablösung zu entgehen.
Dabei waren die familiären Verhältnisse des Hofes einwandfrei, wie sich zweifelsfrei aus dem geprüften familiären Umfeld des gesamten Harmeier-Clans einschließlich aller Absplitterungen in Nebenhöfen, Kotten, Brinksitzen und Neubauernstätten ergibt. Der gute Ruf des Hofes und seine hervorragende Tüchtigkeit und Leistungskraft dokumentieren sich auch in der Beherrschung des gesamten Umlandes über Jahrhunderte bis in die neueste Zeit von Voltlage über Halverde, Recke, Twenhusen und Steinbeck bis nach Ibbenbüren durch Einheirat seiner überschüssigen Söhne und Töchter in die besten Höfe bis zum mühseligen Urbarmachen des kaum überlebensfähigen, kargen Sandbodens in den umliegenden unermesslichen Haren, Heiden und Mooren.
Ein nicht unwesentlicher Teil der Harmeiers-Kinder wandte sich auch dem Handel und der Dienstgängerei mit dem nach dem 30jährigen Krieg und durch seine Kolonien aufblühenden nahen Holland zu, wie es überhaupt der Hopsten-Recker-Mettinger Raum über seine Tödden bis zu den ersten und internationalen Handelshäusern (Beispiel: Brenninkmeyer, Hettlage unter vielen anderen) gebracht hat. Noch unübersehbarer ist der Anteil der Harmeiers, der im vorigen Jahrhundert nach Übersee ausgewandert ist. Grund dafür war der Kinderreichtum seines Hofes, der im krassen Widerspruch zur Fruchtbarkeit seiner Böden stand, und die völlige und erwiesenermaßen begründete Ablehnung der dem kernigen freieren und gutmütigeren Westfalen im Wesen zutiefst fremden und abartigen, im Ursprung slawisch-ostischen preußischen Bürokratie-Militär- und Kriegs-Maschine. Es wurde eben mangels anderer Möglichkeiten im Westfalen jener Zeit mit den Füßen abgestimmt, wie seit Jahrzehnten in der Ostzone, die den preußischen Ungeist art- und geschichtsgerecht am vollständigsten erhalten hat.
So konnte der Colon Johann Jacob Harmeyer am 19.12.1861 seinem Sohn aus dritter Ehe Henrich Joseph Harmeyer nur ein schon arg belastetes Grundbuch und geschmälertes Erbe überlassen, als er sich mit seiner vierten Ehefrau Anna Maria Schwierjohann aufs Altenteil und das nördlich der Heuerhäuser gelegene Leibzuchthaus zurückzog.
So sind im Grundbuch des vormals landesherrlich eigenhörigen Großen Harmeyers Colonats in der Bauernschaft Sunderbauer nebst Zubehörungen in Abteilung 2 am 9.3.1822 nach Antrag der Königlichen Domänen-Rentei Lingen vom 28.12.1816 eingetragen unter:
Pos. 1: |
9 Gulden, 7 Stüber holländ. Geldgefälle, 1 Scheffel Hafer Berliner Maß, 7 Pfd. Wachs, 1 Schwein, 3 Hühner jährlich, außer ungewissen Gefällen wie Gewinn- und Antrittsgeldern usw.. |
Pos. 2: |
18 Gulden, 12 Stüber Dienstgeld jährlich, die vom Besitzer als rechtswidrig nicht anerkannt, aber nichtsdestoweniger von der preußischen Bürokratie durchgesetzt wurden. |
Pos. 3: |
1 Gulden holländisch jährlich an Lingensche Seminarien. |
Pos. 4: |
8 Stüber Opfergeld und 2 Stüber Beigabe und 2 Spint Roggen an Lingensche reformierte geistliche Güter. |
Pos. 5: |
In der Ernte ein Brot von 25 Pfd. und ein Brot mit Ablauf des Jahres sowie 16 Eier an den reformierten Küster in Recke. |
Die letzten 3 Positionen an die evangelische Kirche wurden offenbar schon vor 1700 durchgesetzt, als die Oranier mit Gewalt den Recker Raum der neuen Heilslehre öffnen wollten, was ihnen aber bei keinem gestandenen Hof Reckes gelang. Dieser Zwang wurde seit 1648 dem ersten Friedensjahr nach dem 30jährigen Krieg, massiv mit dem Entzug der sehr alten romanischen katholischen Pfarrkirche St. Dionysius für die völlig katholische Bevölkerung begonnen und äußerte sich auch in dem Verbot, überhaupt die katholischen Taufen, Heiraten und Todesfälle selbst zu registrieren, geschweige denn eine eigene Kirche neu zu errichten.
Die Abteilung 3 beginnt mit der vom Colonen J.J. Harmeyer selbst erbetenen Eintragung von jährlich 2 Zahlungsterminen von je 25 Talern für seinen noch minderjährigen Bruder Bernhard Henrich Harmeyer ab 1816 nach dem Tode seiner Eltern Colon Gerhard Jacob Harmeyer und Colona Anna Catharina Wessels beide im Jahre 1815, den seine Eltern noch nicht abfinden konnten wie seine übrigen 4 Geschwister, von denen 3 offenbar gut in Voltlage und Heppen einheiraten konnten, während der vierte mit Maria Agnes Talmeyer (Mutter : Handelsfamilie Flaake) einen Handel begann und auch noch in der folgenden Generation in Espel betrieb. Außerdem wurden dem jüngsten Bruder 2 Kühe, 1 Ochse, 1 Schmalrind usw. verschrieben.
Die zweite Position vom 20.10.1828 betraf eine Kaution von 1323 Taler, 12 Silbergr., 6 Pfenn. für das „ausgemittelte Vatergut der Minorennen Leeve“. Zwar hatte auch am 25.11.1794 die Tochter des Recker Harhoffs Anna Catharina Angela Harmeier in den uralten Leuwen-Hof in Twenhusen eingeheiratet, so dass hier noch ein Vatergut des Großvaters von J.J. Harmeyer offenstehen konnte, wahrscheinlicher ist jedoch, dass es sich um eine Verpflichtung zum westlich des Recker Harhoffs entstandenen Kotten auf Leven Stätte handelte, was nicht geklärt werden konnte. Die dritte Position ist wiederum eine sehr starke Belastung des Recker Harhofs von 1325 Talern, 27 Silbergr., 8 Pfenn. vom 25.1.1833 für die 3 noch lebenden minderjährigen Kinder als Muttergut der verstorbenen 3. Frau des J.J Harmeyer Anna Cathar. Therese Püttemeyer.
Um den guten und vorbildlichen Zusammenhalt des Familien-Clans Harmeier zu demonstrieren, ist auch noch die Pos. 4 interessant, als der Schäfer Hermann Stegemann aus Recke am 1.10.1836 seinem Vetter J.J. Harmeyer als Sohn der Vatersschwester Anna Cath. Harmeier 300 Taler leiht. Die Treue zur katholischen Kirche seiner Heimatgemeinde Recke ist dem Hofinhaber am 17.12.1843 300 Taler für den katholischen Kirchenfond wert, obwohl er bereits genügend Belastungen hat. Mit dem Auszug auf das Altenteil werden am 19.12.1861 noch einmal 750 Taler für die 3 noch nicht abgefundenen jüngsten Kinder der 4. Ehe eingetragen, während die 5 übrigen Kinder dieser Ehe bereits bei Heirat oder Hofabgang ihr Erbteil erhielten. Das zweite Kind dieser Ehe, August Harmeyer besetzte mit seiner Ehefrau Maria Theresia Lambers das südliche Doppelheuerhaus des Harhofs und hatte sechs Kinder von 1863 bis 1873, von denen eines noch 1900 mit dem Vater als Heuerleute in den Langemeyerschen Akten aufgeführt ist. Die weitere Linie dieses Zweiges geht zum Kreienfeld mit dem jetzigen Robert Harmeyer.
So hatte der Recker Harhof 1861 allein aus den Abfindungsverbindlichkeiten und Erbteilen der bis dahin nicht berücksichtigten Kinder ca. 400 Taler für den Bruder, 1323 Taler als Vatergut der Minorennen Leve, 1325 Taler als Muttergut der Minorennen Püttemeyer und 750 Taler Elterngut der Minorennen Schwierjohann insgesamt also ca. 3800 Taler Schulden, soweit sie nicht bereits getilgt waren, was ebenso wie die Ablösung der Belastungen in Abt. 2 als der königlich-preußischen und kirchlich protestantischen und katholischen Ausbeutung des Recker Harhofs neben der neueren staatlich preußischen Steuerbelastung ab 1812 aus dem Grundbuch nicht ersichtlich ist.
Wenn man dann berücksichtigt, dass J.J. Harmeyer seine insgesamt 13 Kinder gottesfürchtig, ehrenhaft und standesgemäß aufzog, den Familienzusammenhalt erwiesenermaßen mit allen Kräften erhielt und den frühen Tod seiner drei ersten Frauen geduldig als gottgegebenes Schicksal ertrug, ist seine Gesamtleistung wahrhaftig nicht gering einzuschätzen. Seine an Geld messbare Arbeitsleistung im 50jährigen Niedergang des Hofes von 1830 bis 1880 kann sich mit Sicherheit sehr gut sehen lassen im Vergleich mit allen und den besten Höfen Westfalens auf weit besseren Böden. So wurde der Grevenhoff in Herbern 1812 mit 170 Morgen Land für nur 2500 Taler verkauft, der Arnsberger Harhof 1847 mit 410 Morgen Land und voll intakten, umfangreichen Gebäuden, Ziegelei, Rechten und dem gesamten Inventar für 15.000 Taler und dieser Recker Harhof 1882 mit allen Zubehörungen und Inventar, und insbesondere auch den imposanten westfälischen Fachwerkgebäuden des Hofes und aller seiner Heuerhäuser allerdings meistbietend in einer Zwangsversteigerung mit 262 Morgen Grund für nur den Schandpreis von 20.600 Mark = 6866 2/3 Taler schon wesentlich inflationären und damit entwerteten Geldes. Das war nur der Gegenwert für 103 Kühe nach den Preisen der späteren Zwangsversteigerung vom 28.8.1895, als der folgende Pächter Joseph Grotemeyer noch mit seinem Inventar in den Ruin getrieben wurde.
Das schwere und wegen seiner Stärke lange Sterben dieses altsächsischen, mehr als 1000- vielleicht sogar 1500jährigen Harhofs von etwa 5 Jahrzehnten war zum wenigsten durch seine Bewohner bedingt, allenfalls durch deren grundwestfälische Charakterzüge des Familiensinns und der Bodentreue, der Frömmigkeit, Gutmütigkeit, des unumstößlichen Gottvertrauens und Vertrauens in die eigene Stärke und der Geduldigkeit, immer neue Lasten der Obrigkeit klaglos bis zum Umfallen zu ertragen getreu dem Bibelwort ,,Gebet dem Kaiser, was des Kaisers ist", was aber keineswegs für den bürokratisch und byzantinistisch entarteten preußischen Staat gegolten haben dürfte.
Schon Dr. Augustin Wibbelt aus der Heimat des Dolberger, Ahlener und Vorhelmer Harhofs hat dies 1909 trefflich in seinem Gedicht ,,De Buernstand" mit den folgenden beiden Versen ausgedrückt:
Ji denkt: De Buer hät taohen Bast
un hätt en sturen Nacken,
Wi willt em alle Drägt un Last
Up sienen Nacken packen
De Buer is stark, apatt man kann
Den stärksten Mann verdiärben,
Un gripp man so de Wuottel an,
Dann mott de Baum auk stiärben.
So trat am 19.12.1861 mit notariellem Vertrag Heinrich Joseph Harmeier als 4. Kind des Johann Jacob Harmeier und seiner 3. Frau Anna Catharina Therese Püttemeyer 35jährig das angeschlagene schwere Erbe an. Er verheiratete sich umgehend am 11.6.1862 mit Maria Agnes Kempker aus Limbergen, Neuenkirchen und Hülsen, hatte bis 1866 3 Kinder, von denen aber auch das letzte 1879 16jährig schon gestorben war. Seine 1. Frau muss spätestens 1868 gestorben sein, da er am 10.1.1869 Maria Anna Theresia Hungermann - nomen est omen? - vom Colonenhof Hungermann in Püsselbüren zur 2. Ehe führte. In diese auch noch unverschuldeten familiären Misere traf ihn dann weiter 1867 die Aufteilung der gemeinsamen Marken Sunderbauer mit ihren bürokratischen Langstieligkeiten und entsprechenden Kosten ohne unmittelbaren Gegenwert und offenbaren Übervorteilungen gegenüber seinen früheren unermesslichen Rechten in der gesamten Gegend durch eine völlig unzureichende Unland-Zuteilung von lächerlichen 130 Morgen in 13 Wolferhaarfeld- und Vinter-Moor-Parzellen, so dass sein Besitz dann aus 59 Parzellen mit 65,4466 ha bis zum Ende im Jahre 1880 bestand Seine unermesslichen Rechte im nahen ,,Königreich Hannover" waren ihm ohnehin durch eine politische und völlig willkürliche Grenze bürokratisch selbstverständlich entzogen und entschädigungslos enteignet.
Die ursprüngliche, kaum vorstellbare, aber offenbar rechtlich nicht genau fixierte Größe dieses ,,Großen Harmeiers Colonats" einschließlich aller Rechte wurde im Laufe der Jahrhunderte gemindert durch die Ansiedlung weiterer Kötter, Brinksitzer, Eigenwohner und Siedler auf Neubauernstätten, die von allen Seiten die nur extensiv genützte Har, das dürftige Unland und selbst die beidseitigen Moorflächen in intensivere Bewirtschaftung nahmen. Insbesondere aber auch der überaus reiche und geradezu alttestamentarische Kindersegen des Recker Harhofs und seiner Harmeiers führte im Westen, Süden und Norden zu gewaltigen Absplitterungen von seiner ursprünglichen Größe. Seine Nachkommen waren wahrlich zahlreich wie der Sand am Meer.
So wurden beispielsweise allein in den nur 9 Friedensjahren von 1609 bis 1617 und den schon 21 Kriegsjahren des 30jährigen Krieges von 1618 bis 1638 nach dem Index des Kirchenbuches Nr. 1 - die vollständigen Kirchenbücher St. Dionysius Recke sind im Bischofsarchiv Münster noch immer vor der Bevölkerung ausgesperrt - 17 Kinder mit dem Namen Harmeier, Harmeiers, Harmeyer, Harmeyers, Haermeyer, Haemeyer, Haermejer, Haerhuis, op der Har, up der Har und Haer katholisch getauft, während 1618 ein Albert upper Hare starb und zwei Heiraten 1615 mit upper Hare und 1626 mit Haer registriert sind. Bezeichnend ist auch, dass hier geschichtsgerecht wie im Kernwestfalen noch immer nicht ein einziges Mal das doppelte a auftaucht. Auch die Vornamen sind die traditionellen Westfalens, nämlich Henrich, Johannes, Gerhard, Berhard, Georg, Albert usw. und bei den Mädchen Catharina, Margareta, Adelheid, Maria unter anderen, während der häufigste germanische Mädchenname Zentralwestfalens Gertrud, als der mit dem Wurfspeer Vertrauten, vielleicht zufällig nicht vorhanden ist und geschichtsgerecht die neueren Vornamen Franz und Joseph noch nicht in Anwendung sind.
Durch diesen Kinderreichtum des Harhoffs und eine Kindesabfindung (Maria Aleid Harmeyer, geb. 1725) entstand wahrscheinlich schon 1745 nach Heirat mit Gerhard Henrich Göcke das kleine Harmeiers Colonat, meist auch Lütke oder Kleine Harmeiers Stätte genannt, nur etwa 250 m westlich des Harhoffs, das ebenso wie die Neubauernstätte 250 m südlich des Haupthofes ab 1780 mit Harmeiers besetzt war wie auch verschiedene Heuerhäuser und sogar der Schafstall im Felde (= Bethlehem) nach dem Umbau zum Heuerhaus im 19. Jahrhundert. Aber auch der nördlich von Kleine Harmeier und 250 m westlich gelegene frühere Kotten Leeve scheint schon sehr früh vom Harhof abgetrennt worden, aber zwischendurch dauernd mit Harmeiers personell verbunden gewesen zu sein (1828 Vatergut der Minorennen Leve; Johann Phillip Harmeier auf Leven Stätte verheir. 1831 mit Mar. Cath. Lewe; Joh. Henr. Harmeier, Leve, Lütkeharmeier, gest. 21.12.1821 tot im Haus, 62 Jahre - nie verheiratet) und ist jetzt nach einem Zwischenspiel Wenker und Wolke wieder mit Harmeiers aus der südlichen Neubauernstätte von 1780 besetzt und hat ca. 65 Morgen.
Der Harkotten Leeve scheint ein Ableger des schon 1494 genannten Hofes Leuwe in Twenhusen zu sein, der ebenso wie de Harmeyger und 13 andere Höfe Reckes jährlich 1 Schuldschwein an die Grafen von Tecklenburg zu liefern hatte. 1543 waren nach den ausgezeichneten Ausführungen F.E. Hunsches wahrscheinlich die überwiegenden Höfe Reckes mit Marken- und Dienstgeld an die Grafen von Tecklenburg abgabepflichtig und unter vielen anderen der Recker Harhof mit den Namensversionen Hameiger, Hameyersche und Harnemeiger, was schon damals auf eine starke Aufteilung des Ursprungbesitzes schließen lässt. Leuwe to Twenhusen ist erwähnt ebenso wie jetzt erstmalig unter der Version Overfart der jetzige Hof Verfarth an der früheren Recker Aa-furt, die erst 1747/48 eine Steinbrücke mit 3 Bögen erhielt. Der Hof Verfarth übernimmt jetzt im Zuge der südlichen Dorferweiterung Recke und der Flurbereinigung den uralten Recker Harhoff im Recker Norden.
Dieser in altsächsischer und mittelalterlicher Zeit mit Sicherheit größte Hof Reckes wurde 1189 in der sogenannten Geburtsurkunde Reckes erstmalig als Harhus und Besitz des Edlen Wicbold von Horstmar als Lehensmann der Grafen von Cappenberg in Zentralwestfalen erwähnt. Die Abtei Werden, fast 150 km entfernt, scheint in karolingischer Zeit bestimmenden Einfluss gehabt und die Christianisierung der alt-sächsischen Venki-, Varn- und Threcwitigaue um Recke mit der Errichtung von Pfarrkirchen in Schale und Recke u.a. betrieben zu haben, während weiter östlich Herford zuständig war. 1189 wurde nun der Recker Harhoff dem Stift=Bistum Osnabrück zur Errichtung eines Männerklosters geschenkt, das aber wahrscheinlich wegen des Todes des Bischofs Arnold 1190 auf einem Kreuzzug nicht zur Ausführung kam. Die Schenkung fiel zurück und gelangte dann irgendwie an die Grafen von Tecklenburg und die Obergrafschaft Lingen. 1702 ging der Recker Harhoff ebenso wie die gesamte Obergrafschaft als oranisches Erbe an den König von Preußen, so dass nach den napoleonischen Kriegen mit Anlegung der preußischen Grundbücher der Provinz Westfalen der Recker Harhoff als das ,,vormals landesherrlich eigenhörige große Harmeyers Colonat" bezeichnet ist.
Die kleine Harmeiers Stätte war ebenso vormals landesherrlich eigenhörig und nahm erst ca. 1825 auch den Familiennamen Kleine Harmeyer durch die Erbtochter Maria Aleid Harmeier an, während schon zwei vorherige Stämme des Hofes und ihre gesamten Geschwister sich weiterhin Harmeier nannten und die umfangreichen rechtlichen Regelungen mit den ebenfalls sehr zahlreichen Abkömmlingen des Hofes aus ihrer und ihres Vaters (Johann Wilhelm Harmeier, geb. 1762 oder 63) Generation durch sie erfolgten. Diese Kleine Harmeyers Stätte hatte 1787 kaum 25 Scheffelsaat =- kaum 3,2 ha, 1883 18,1404 ha, 1902 18,2704 ha, 1954 26,2569 ha Grundbesitz und bewirtschaftet jetzt mit seinem Besitzer Henrich Kleine Harmeyer ca. 140 Morgen = 35 ha unter der Postadresse Ehrenfriedhof 5, früher Harhoff Nr. 19 und Sunderbauer Nr. 53.
Diese kleine Harmeiers Stätte machte um 1880 beim Sterben des Haupthofes, des Recker Harhofs, ebenfalls sehr schwere Zeiten durch, als sie nur durch äußerste Einschränkungen und durch Verkauf ihres gesamten Inventars dem finanziellen Zusammenbruch nur mühsam entging und sich erst ab 1900 wieder sichtlich erholte.
Der 6. direkte Generationsvorfahre des jetzigen Hofbesitzers Heinrich Kleine Harmeyer scheint der Johann Harmeyer gewesen zu sein, der am 2.10.1787 an den König von Preußen im Namen aller Neubauern ,,hiesiger Gegend demütigst und ersterbend um Gnade" bittet und mit ,,Dero Allerdurchleuchtigster Großmächtigster Gnädigster Königlichen Majestät Ihr Untertänigster Knecht, Neubauer Johann Harmeyer" unterzeichnet.
Diese geforderten, entehrenden byzantinischen Floskeln setzen sich im ganzen Brief fort mit: ,,Dero königlichen Majestät geruhen doch gnädigst unsere demütigste Bitte vorstellen zu dürfen, wie wir geringen Neubauern hiesiger Gegend die Gnade nicht erhalten können die Seiner hochseligen Königlichen Majestät, als wir zu bauen anfingen, uns gnädigst zu versprechen geruhet haben und wie wir mit neue Lästen beschweret werden, die wir unmöglich zu tragen im Stande sind", während die aufgeführten 7 Punkte über uneingehaltene Versprechen, neue Lasten und absichtliche bürokratische Schikanen und Rechtsbeugungen und -brüche eine einzige Anklage der unfähigen, unwilligen und damit gefährlichen preußischen Bürokratie der Lingenschen Kriegs- und Domänenkammer darstellen.
Die Reaktion der preußischen Bürokraten ist entsprechend: Beschimpfungen mit Querulant und Behauptungen fehlender Lust, zur Cultivierung, Androhung anderer fleißiger ,,Liebhaber" für seine Neubauerei unglaubliche schriftliche Auflagen und der Entzug ,,der ihm zugedachten Beihülfe durch seine schlechte und unschickliche Vorstellung“, alles Reaktionen, wie sie auch heute noch wie eh und je üblich sind, wenn die Bürokratie an ihren eigenen Festlegungen klar und deutlich gemessen und aus ihrer unverdienten Ruhe aufgeschreckt wird.
Ein Jahr vorher, am 11.10.1786, erschien schon der südliche Neubauer Herman Hendrich Harmeier aus seiner Erdhütte in Lingen und erinnert das ,,hochlöbliche Cammer Collegium" an die Besichtigung seiner Neubauerei und die bürokratische Ermunterung ein festes Haus zu bauen, was er ohne die versprochenen Hilfsbaugelder nicht vollenden könne. Aber der königlich preußische Büroschlaf ging ungehindert weiter. Erst ein weiterer Kotau vor der versklavenden und ostisch-unmenschlichen, preußischen Ministerialbürokratie im Jahre 1787 an den ,,Hochwohlgeborenen Freyherrn, in sonders Hochgebietenden Herrn Minister, Excellenz" mit Klagen über die Übergriffe seiner Schranzen bezüglich Contributionszahlungen trotz 15 Freyjahren für einen Ausländer, als den er sich mit Herkunft aus dem Osnabrückschen bezeichnen musste, bringen dann offenbar ganze 30 Reichstaler, die erst am 30.10.1790 durch den Kammerassessor Rump quittiert werden. Vorher musste er noch ,,Eure Hochwohlgeborene Freiherrliche Excellenz alleruntertänigst bitten, auf sehnlichste Bitten Gnädigst zu helfen, sich einer gnädigen Erhörung getrösten und in tiefster Erniedrigung als alleruntertänigster Unterthan ersterben."
Das ist wahrlich tiefste Perversion, wie sie nur in den slawischen Ursprungsgründen Preußens durch jahrhundertelange Unterdrückung und Ausbeutung entstanden sein kann. Dagegen muten die Praktiken des westfälischen Adels und der Kirche bei der Freiheitsberaubung der zentraleren westfälischen Bauern geradezu zahm an. Aber auch der lächerliche Betrag von nur 30 Reichstalern im Vergleich zu den immensen bürokratischen Belastungen des Haupthofes von 1.000en Talern allein bei Kindesabfindungen lässt aber auch jedes vernünftige, geschweige denn jedes gerechte Maß vermissen.
Dieser südliche Neubauernhof mit Anna Maria, geborene Harmeier (geb. 1743), und Herman Hendrik Harmeier, Spitzname Sandherm, hatte 1780 bei seiner Gründung in einer Erdhütte 20 1/4 Scheffelsaat = 10,5 Morgen und 1954 16,2208 ha Grundfläche, die Postanschrift Sunderbauer Nr. 70 und Harhoff Nr. 20 und wird jetzt in der siebten Generation von Werner Harmeyer bewirtschaftet.
Die wirtschaftliche Lage des historischen Harhoffs wird mit dem neuen Colon Heinrich Joseph Harmeier ab 1862 nicht besser, da er bereits ab 1865 zu neuen Darlehensaufnahmen gezwungen ist und zwar von den Gläubigern: Colon Hermann Heinrich Wefels auf Losekamp, Bsch. Hollenstädte, Kirchspiel Schwagsdorf, Amt Fürstenau; Kaufmann Bernhard Hermann Neumeister in Recke; Schmied Wilhelm Hemmer in Schale; Bergmann Gerhard Richter in Püsselbüren; Wirt Heinrich Schröder in Weese; Maria Theresia Siebelmeier in Recke; Neubauer Bernhard Frehe zu Kathermuth in Mettingen. Es sind auch noch die Forderungsaufkäufer Steinbruchbesitzer Gerhard Schludert und Brennereibesitzer Theodor Bergschneider,beide in Ibbenbüren, genannt. Die Forderungen dreier Söhne des Joh. Jac. Harmeier an den Recker Harhoff gehen 1868 bis 1880 an den Kaufmann Johann Friedrich Drees in Ibbenbüren über. Es sind dies 1880 rd. 1000 Mark des 51jährigen Bruders Johann Henrich Harmeier (geb. 21.3.1829) und schon 1868 rd. je 750 Mark der Stiefbrüder Gerhard Clemens Harmeier (geb. 24.3.1843) und 1874 Benedikt Bernhard Heinrich Harmeier (geb. 19.2.1845) an den Hofinhaber Heinrich Joseph Harmeier.
Johann Friedrich Drees hatte also 1880 schon ca. 2500 Mark mit 4 bis 5% verzinsliche Forderungen an den Hof in Händen, die neben den anderen Forderungen noch im gleichen Jahr zur gerichtlich verfügten Zwangsverwaltung des Hofes führten, da der Colon Joseph Harmeier als Rechtsnachfolger des bisherigen Hofbesitzers Heinrich Joseph Harmeier im Grundbuch eingetragen ist.
Dieser Zwangsverwalter des Stammhofes kann nur der Joseph Harmeier von der südlichen Neubauernstätte von 1780 gewesen sein (4. Generation, geb. 29.7.1844, verh. 18.2.1873 mit Anna Maria Theresia Schröder aus Weese). Auf ihn brechen sofort mehrere Arreste, Cautionen, Bürgschaften und Darlehenskündigungen offenbar auf Rechnung und zu Lasten des von ihm zwangsverwalteten Harhoffs herein, so dass schon am 23.5.1882 die Zwangsversteigerung erfolgt. Am 26.5.1882 erhält der mit 20.600 Mark meistbietende Kaufmann Johann Friedrich Drees den Zuschlag für 65,4366 ha Grund mit allen aufstehenden Gebäudlichkeiten und Zubehörungen.
Der gelegte Colon Heinrich Joseph Harmeier verzieht mit seiner Familie in ein Heuerhaus Börgelmann, jetzt Meier-Börgelmann, an der Glashütte ziemlich im Zentrum Ibbenbüren, wo zwei seiner Kinder (Gustav und August) als Handwerker noch bekannt waren.
Der Recker Harhof brachte seinem neuen Besitzer kein Glück, stattdessen zog sich eine breite Spur der Vernichtung durch die Jahre 1880 bis 95 und die beteiligten 4 Familien Heinrich Joseph und Joseph Harmeier, Joseph Grotemeyer und Drees als Folge der bedenkenlosen und von der unfähigen preußischen Justiz zumindest unterstützten Bauernlegerei. Am 28.8.1895 war schon auch der eingesetzte Verwalter oder Pächter Joseph Grotemeyer völlig am Ende, als er sein gesamtes Inventar zwangsversteigern lassen musste, und vorher am 8.4.1895 die Witwe Joh. Friedr. Drees (Sophie geb. Hantelmann) mit ihren Kindern Rudolphina, Frieda und Emil, als sie den Hof für 28.500 Mark mit freiwilligem Kaufvertrag dem Brennereibesitzer Johann August Langemeyer (verh. mit Eleonora Maria Theresia Voß) überlassen musste. Der Verwalter wurde übernommen, ist bei Kunstdüngerkäufen von 10.5 t Thomasmehl am 3.11. und 10 t Kainit am 15.11.1900 ab Bahnhof Hörstel noch genannt und verließ den Hof erst etwa 1905 bis 1907, als er sich in Mettingen als Bauer selbständig machte.
In den Langemeyerschen Familienunterlagen, die bereitwillig völlig offengelegt wurden, fanden sich noch die Aufkäufe des August Langemeyer aus der Inventarauktion des Joseph Grotemeyer vom 28.8.1895, die dieser mit ,,Harhoff, den 31.12.1895" mit 516,05 Mark eigenhändig quittierte. Das Gesamtvolumen dürfte bei etwa 130 Positionen rd. 2000 Mark erbracht haben, von denen Langemeyers Wiederkauf für den Pächter damit rd. ein Viertel betragen hat und von einer Kuh für 200 Mark über einen Wagen für 67 Mark, einen Pflug für 33 Mark und eine Häckselmaschine für 59 Mark bis zu Näpfen, Töpfen, Zange, Beil, Buschmesser, Pflanzer, Misthacke und Stielen mit Einzelbeträgen weit unter 1 Mark reichte.
Die allgemeinen Pachtbedingungen der Brennereifirma C. Langemeyer ab 25.9.1895 sahen für die 5 Heuerleutefamilien des Hofes einschließlich Häusern, Äckern, Gärten und Grünland ca. je 10 Mark Miete je Monat vor, die aber auch noch nach dem Roggenpreis leicht nach unten variabel war, und für den Verwalter des Harhofs insgesamt 465 Mark jährlich, so dass der später auch noch niedrigere Gesamtertrag des Recker Harhofs nebst Häusern und allen Zubehörungen 1895 zu nur 1140 Mark jährlich kalkuliert war, einer selbst bei dem mit 28.500 Mark sehr geringen Kaufpreis und andererseits Reparatur-, Steuer- und Versicherungsverpflichtungen äußerst niedrigen Rendite von weit weniger als 4%. Trotzdem begann jetzt eine durch die Finanzkraft der Mettinger Brennereidynastie C. Langemeyer konsolidierte und langfristig angelegte Phase der Erhaltung des Recker Harhofs.
Das Hauptinteresse Langemeyers kann nur in den billigeren landwirtschaftlichen Brennrechten eines so großen Hofes für die Alkoholproduktion in der Mettinger Brennerei sowie in der Verbundwirtschaft mit der Schlämpe seiner Brennerei gelegen haben. Dieses eiweiß- und mineralstoffreiche Abfallprodukt konnte sehr nutzbringend bei der Viehfütterung eingesetzt werden und wurde dem Verwalter deshalb auch nach Marktpreis berechnet. Für die Transporte zum Recker Harhof waren selbst über die Recker Chausseegeld-Hebestelle noch aus dem Jahre 1900 Unterlagen mit einem Pauschalangebot Langemeyers von 100 Mark im Jahr vorhanden.
Jedenfalls war der Hof jetzt 1895 auf eine wesentlich solidere Grundlage gesetzt, als er es 1882 mit dem Kauf durch einen nur geldertragsorientierten Kaufmann war. Diese Phase betrug bis zum Verkauf 86 Jahre und beinhaltet auch die Kontinuität seiner erblichen Pächtergenerationen in 72 Jahren von 1909 bis 1981.
Nach Landzukäufen durch die Firma C. Langemeyer 1897/98 hauptsächlich von Ignatz Meinert, Sunderbauer Nr. 3, betrug der Landbesitz 80,1001 ha und von 1912 bis 1954 unverändert 85,1818 ha. Ab 1895 wurden auch die Heuerhäuser überholt und erweitert, so dass im August 1900 acht Heuerleutefamilien genannt sind. Damals scheint auch das heute noch bestehende hofeigene Miethaus als Heuerhaus neu erbaut worden zu sein, während alle übrigen spätestens seit 1972 beseitigt sind.
Im großen Brand von 1900 wurden alle alten Hofgebäude und insbesondere das große, über dem Stallteil zweistöckige, herrliche alte westfälische Fachwerkhaupthaus mit seiner überaus imposanten, reich gegliederten und durch Pferdeköpfe gezierten, südlichen Tennen-Torfassade ohne wesentliche Spuren vernichtet. Lediglich ein Bild dieses möglicherweise mehr als 200jährigen Haupthauses ist als Tuschzeichnung erhalten wie auch der Tennen-Torhauptbalken jedoch ohne Jahreszahl. Dieser Balken wurde 1987 beim Abriss des neueren Wohnhauses von 1901 nur zufällig wiederentdeckt.
Am 1.3.1901 erscheinen dann die Neubaupläne des Josef Krümpelmann mit allen Ansichten und Schnitten, tituliert „Zeichnung zum Neubau eines Wohnhauses mit Zwischenbau und Wiederaufbau des Viehstalles auf dem Harhoff für Herrn Brennereibesitzer August Langemeyer, Mettingen", und dann ab Sommer 1901 die laufenden Abschlagszahlungen an Josef Krümpelmann für Arbeiten und Lieferungen und an den Baumeister Josef Neyer für ausgeführte Bauten in sicher bei weitem nicht vollständiger Höhe von zusammen ca.10.000 Mark in den Privatunterlagen Langemeyer.
Die Neubauten wurden überaus massiv aus den Bruchsteinen der Steinbecker Karbon-Sandsteinbrüche ausgeführt, allerdings mit hölzernem ,,Innenleben" der Fachwerkkonstruktionen für Ställe, Heu- und Kornböden und der gesamten Dachstühle. Gegenüber den alten Fachwerkgebäuden wirkten die Neubauten wohl sehr gewaltig und dauerhaft, aber doch nicht besonders westfälisch oder auch nur der über 1000jährigen Geschichte dieses Hofes einigermaßen angemessen oder auch nur angepasst.
Nach dem Pächterabgang Josef Grotemeyer und einem kurzen Pächterzwischenspiel Kohl, der den Hof zum Neubauernhof Pelkmann gleich östlich verlässt, tritt am 1.6.1909 Josef Frielinghaus aus Soest mit seiner Frau (geb. Neumeister) aus Recke in das vertraglich genau festgelegte und langfristige Pachtverhältnis ein. Die jährlich nachträgliche Pacht einschließlich der überlassenen Heuerhäuser und deren Flächen beträgt für 83,6875 ha 2400 Mark; Gemeindelasten, Reparaturen bis 50 Mark und Reinigung der Gräben und Entwässerungseinrichtungen zu Lasten des Pächters; Sturm-, Brandversicherung, Genossenschaftsbeiträge und Steuern zu Lasten des Verpächters. Verfütterungs-Verpflichtung des Pächters für die Trockenschlämpe zu 1,50 Mark/Zentner; 300 Mark Pacht-Nachlass im ersten Jahr und Jagdnutzung nur für den Verpächter.
Am 1.9.1922 werden der Pachtvertrag inflationsbedingt auf 2500 Pfund gesundes Rindfleisch und gemeinsame Jagdnutzung variiert und auch Reparaturen an den Heuerhäusern festgelegt. Am 2.11.1925 wird der Pachtvertrag auf die Erben erweitert und für die Zukunft 3000 Mark jährliche Pacht festgelegt. 1940/41 stirbt der hofbewirtschaftende Sohn Alwin Frielinghaus von einem Tag auf den anderen und hinterlässt seine Frau (geb. Weßling-Lünemann) und zwei Töchter. Seine drei Schwestern erhalten ca. 12 Morgen Wald auf der Ibbenbürener Bergplatte als Abfindung aus der guten Wirtschaft seines Vaters in den vorangegangenen Jahrzehnten. Seine Frau verheiratet sich wieder mit Hubert Overesch, während noch weiter Josef Frielinghaus und nach dessen Tod seine Frau (geb. Neumeister) Pächter bleiben und das Heft in der Hand behalten.
Erst 1952/53 wird das Pächterverhältnis auf Hubert Overesch und seine Frau (geb. Weßling-Lünemann, verw. Alwin Frielinghaus) umgestellt und die Pacht auf 4400 DM erhöht. In deren Zeit fällt auch der durch Blitz verursachte Brandschaden vom 3.6.1957, der die gesamten hölzernen Konstruktionen einschließlich der Dächer vernichtet. Der aus Versicherungsgeldern vollbrachte Wiederaufbau ersetzt diese am Stallgebäude durch eine massive Stahlbetondecke auf Stahlstützen und ein großflächiges Welleternitdach. Durch Vertrag vom 27.8.1958 wird die Pacht auf 6400 DM/Jahr erhöht. 1978 tritt der Landwirt Josef Hüning nach Einheirat bei Anita Frielinghaus, Tochter des Alwin Frielinghaus und seiner Frau (geb. Weßling-Lünemann) die Herrschaft des Hofes an und zahlt 1979/80 erstmalig 7000 DM jährliche Pacht, immer noch nicht mehr als für eine Mietwohnung. Gute Wirtschaft wird ihm von allen Seiten bestätigt und auch seine Interessen erscheinen langfristig und sehr gut gesichert.
Da tritt am 19.6.1981 Hubert Rammes, Gemeindedirektor in Recke -jetzt Stadtdirektor in Telgte - an die OHG Langemeyer in Firma C. Langemeyer heran, den Recker Harhof aus gemeindeordnerischen Gesichtspunkten wie Westtangente und südliche Dorferweiterung im Zuge der Ersatzbeschaffung für den alten Hof Verfarth von 37 ha Grund und Wohn- und Wirtschaftsgebäuden, davon allein 12 ha in unmittelbarer Ortslage, zu kaufen. Am 17.9.1981 setzt das Amt für Agrarordnung Münster mit Brief des ORR Bräutigam nach, den Plan im laufenden Verfahren der Flurbereinigungen zu verwirklichen, und auch der Landschaftsverband Westfalen-Lippe sieht seine ökologischen Blütenträume mit dem erweiterten Naturschutzgebiet des Recker Moors vor der Realisierung. Auch der Hof Verfarth kann bei dieser massiven, bürokratischen Interessenlage dieser drei steuergeldstarken öffentlichen Körperschaften nach entsprechenden Zusicherungen und Verträgen nicht lange widerstehen.
So macht schon am 22.9.1981 August Langemeyer als geschäftsführender Gesellschafter der Langemeyer OHG für seine 85.0080 ha Land und Gebäude, Holz und Zubehör ein verbindliches Angebot, das unverzüglich im Eiltempo am 27.10.1982 durch Vertrag besiegelt wird. Der gesamte, namhafte Millionenkaufpreis wird bis 30.4.1982 bezahlt, wobei das Risiko der Vertragskündigungen des Pächters Josef Hüning weitgehend bei der Gemeinde bzw. den beteiligten öffentlichen Körperschaften liegt und noch durch eine beträchtliche und durch Prozess verzögerte Abfindung des Pächters durch die OHG Langemeyer gemildert wird. Die Familie Huning hat inzwischen einen 32 ha-Hof in Herringhausen bei Ostercappeln und Bohmte erworben.
Das Interesse Langemeyer bestand vornehmlich in der Neuordnung seiner Personengesellschaft in der Brennereifirma, der Auslagerung seiner Brennerei aus der Ortsmitte Mettingen und dem Neubau der Brennerei am Hagebröcker Weg 76 im fernen Norden Mettingens, dem Erwerb und dem Neubau eines Bauernhofes im direkten Zusammenhang und Verbund mit der Brennerei und der sehr späten Realisierung einer durch die jahrzehntelange Pacht nicht zu erreichenden Rendite des Kaufs von 1895 und der folgenden erheblichen Investitionen. Ob alle Träume Reckes erfüllt worden sind, muss offenbleiben, andererseits kann aber auch eine so grundsätzliche Ortskernerneuerung und -erweiterung nicht in wenigen Jahren erzwungen werden.
Somit ist jetzt nach ca. 100 Jahren Interregnum der Recker Harhof wieder in den westfälisch-bäuerlichen Händen der Familie Verfarth, vertreten durch die Senior-Eheleute Agnes und Heinrich Verfarth (geborener Dräger aus Hopsten), die Junior-Eheleute Marianne und Norbert Verfarth (geborener Plagemann aus Riesenbeck) und ihre vier kleinen Kinder. Bemerkenswert ist auch die hier noch erhaltene echt westfälische Tradition, den Familiennamen dem Hof-Namen unterzuordnen und bei Einheirat jetzt schon in zwei Generationen aufzugeben.
Inzwischen sind eine sehr große neue Maschinenhalle, ein sehr großer neuer Gülletiefbehälter, das neue Schweinehaus für ca. 700 Schweine und der alte Viehstall nach Grunderneuerung seiner Stallflächen für knapp 100 Mastrinder sowie große neue Silage-Anlagen bereits voll in Betrieb, während das sehr große neue Doppelwohnhaus einschließlich Altenteil und Garagenanlage der Vollendung entgegengeht und auch das noch einzige ehemalige Heuerhaus in der Außenhaut völlig grunderneuert wurde. Vom alten Harhof nach dem Brand 1900 ist also nur noch der modernisierte große Viehstall erhalten, der auch noch eine rote Verklinkerung seiner Bruchsteinwände erhält.
Möge der erneuerte Recker Harhof mit seinen mehr als 80 ha Grundfläche, seinen neuen Gebäuden und seiner neuen Familie jene Bedeutung in der einsamen nördlichen westfälischen Landschaft wiedererlangen, die der historische Harhoff über ein Jahrtausend gehabt hat!
Hugo Harhoff, 1987/88